Finanzamt will Gerichtsurteil nicht mehr verhindern

Rechenfehler von Erfurt: Klage vor dem Thüringer Finanzgericht

02.10.14 –

Das Finanzamt Erfurt will nicht mehr verhindern, dass es beim "Rechenfehler von Erfurt" zu einem Gerichtsurteil kommt. Es werde "keinen Einwand erheben", wenn die Klage der Netzmacher für zulässig erklärt werde, schreibt das Amt dem Thüringer Finanzgericht. Zuvor hatte der Rechtsanwalt der Netzmacher dem Amt vor Gericht einen weiteren Fehler vorgeworfen.

Erfurt kann nicht rechnen

Die Netzmacher hatten den "Rechenfehler von Erfurt" bekannt gemacht. Bei dem Fehler handelt es sich um ein falsches Rechenverfahren, mit dem das Finanzamt Kleinunternehmen in erheblichem Umfang zu Unrecht mit Steuern belasten kann. Bekanntes Opfer ist die Netzmacher GbR.

Finanzamt zieht Einwand nach weiterem Fehler zurück

Die Netzmacher hatten erst nach Ablauf der Fristen bemerkt, das sie zu unrecht mit Steuern belastet wurden und dann trotzdem Widerspruch eingelegt. Nachdem das Finanzamt den Widerspruch endgültig abgelehnt hatte, zogen die Netzmacher vor das Thüringer Finanzgericht.

Zuletzt wollte das Finanzamt Erfurt, dass das Gericht die Klage aus formalen Gründen abweist: "Die Klägerin existiert nicht." Den Einwand zieht das Finanzamt nun faktisch zurück. Der Rechtsanwalt der Netzmacher hatte dem Amt vor Gericht zuvor einen weiteren Fehler vorgeworfen, den es in seinem Schreiben einräumt: "Wie der Prozessbevollmächtigte zu Recht bemerkt", habe das Amt versäumt, die Widerspruchentscheidung allen Gesellschaftern der ehemaligen Netzmacher GbR bekannt zu geben.

Keine Korrekturen bei "internen" Fehlern?

Bei dem "Rechenfehler von Erfurt" handelt es sich aus Sicht des Klägers um einen offensichtlichen Fehler: Das Finanzamt hatte bei seiner Korrektur der Steuererklärung zu Lasten der Netzmacher fälschlicherweise zwei statt richtigerweise drei Formularfelder korrigiert. Offensichtliche Fehler müssen unter bestimmten Umständen auch nach Ablauf von Fristen von Ämtern korrigiert werden. Das Finanzamt ist jedoch der Auffassung, dass es sich bei dem "Rechenfehler von Erfurt" um keinen offensichtlichen Fehler handelt, indirekt unter anderem deshalb, weil das fehlerhafte Rechenverfahren von Außen nicht nachvollziehbar sei.

Der Kläger hält ein Urteil zum "Rechenfehler von Erfurt" für grundsätzlich bedeutsam: Mit dem Argument, wegen eines internen fehlerhaften Rechenverfahrens könne ein Fehler für Dritte nicht offensichtlich sein, würde das Recht auf Korrekturen außerhalb von Fristen faktisch außer Kraft gesetzt.

Kläger begrüßt Wende beim beklagten Finanzamt

Dass das Finanzamt Erfurt vor dem Thüringer Finanzamt nun offenbar den Weg für ein Urteil in der Sache frei machen will, begrüßt Netzmacher Dirk Wildt im Namen von Rechtssicherheit: "Ohne ein Urteil würde nichts entschieden werden, mit einem Urteil bekommt wenigstens einer Recht: das Finanzamt oder wir."

Weitere Links